Wasserhaushalt
Gemäß Anhang V, Art. 1.1.2 und Art. 1.2.2 der Wasserrahmenrichtlinie sind folgende Komponenten und Kriterien der hydromorphologischen Qualitätskomponente Wasserhaushalt zur unterstützenden Bewertung der biologischen Qualitätskomponenten heranzuziehen:
- Wasserstandsdynamik: Menge und Dynamik der Strömung, Pegel, Verweildauer
- Wassererneuerungszeit
- Verbindung zu Grundwasserkörpern
Klassifizierung des Wasserhaushalts
Zur Bewertung des Wasserhaushalts liegt eine Verfahrensempfehlung der LAWA zur „Klassifizierung des Wasserhaushalts von Einzugsgebieten und Wasserkörpern“ (LAWA-AO 2014) vor, die im Zuge eines Praxistests 2016/2017 überarbeitet wurde.
Das Verfahren kann sowohl für Fließgewässer als auch für Seen angewendet werden. Im Folgenden wird das auf die Klassifizierung des Wasserhaushalts von Seen ausgerichtete Verfahren beschrieben.
Datengrundlagen
Grundlage des Verfahrens ist Auswertung und Berechnung statistischer Werte oder GIS-Daten, wie z. B.
- Daten aus wasserwirtschaftlichen Informationssystemen wie Pegeldaten, Daten der Talsperrenverwaltung
- Daten aus dem Wasserbuch zu wasserrechtlichen Genehmigungen
- Daten der Strukturkartierung von Fließgewässern
- Landnutzungsdaten (Corine Landcover Daten)
- Raumdaten zur Flächenentwässerung
- Höhenmodelle
- Daten zur Auenkartierung
- Informationen zu Deichen und Längsbauwerken
Sind diese Daten nicht verfügbar, so kann eine Klassifizierung aber auch über eine „Expertenbewertung“ erfolgen.
Erfassung der anthropogenen Beeinflussung des Wasserhaushalts
Für jeden einzelnen See-Wasserkörper werden die Nutzungen und Belastungen, die auf seinen Wasserhaushalt wirken, erfasst. Dabei werden sowohl die Belastungen berücksichtigt, die direkt auf das Einzugsgebiet des Oberflächenwasserkörpers, als auch die, die nur indirekt auf den Oberflächenwasserkörper wirken, da es sich z. B. um Belastungen in Einzugsgebieten von in den Wasserkörper einmündenden Zuflüssen handelt.
Im Rahmen des Verfahrens sind die verschiedenen Nutzungen und Belastungen, die auf den Wasserhaushalt und damit die Hydrologie eines Fließgewässers wirken, in sechs übergeordnete anthropogene Belastungsgruppen zusammengefasst:
- Belastungsgruppe A: Veränderungen/Nutzungen im Einzugsgebiet
- Belastungsgruppe B: Wasserentnahmen
- Belastungsgruppe C: Wassereinleitungen
- Belastungsgruppe D: Gewässerausbau und Bauwerke im Gewässer
- Belastungsgruppe E: Auenveränderungen
- Belastungsgruppe F: Sonstige Belastungen
Innerhalb der sechs Belastungsgruppen können bis zu insgesamt 10 einzelne Kriterien erfasst werden (Tab. 1).
Die Erfassung der Kriterien kann nach zwei unterschiedlichen Verfahren durchgeführt werden:
- Berechnungsverfahren: Berechnung oder statistische Auswertung quantifizierbarer Daten
- Expertenverfahren: semiquantitativ bzw. durch Expertenurteil festgesetzte Kriterien
Wenn die Datenlage es zulässt, dann ist das Berechnungsverfahren bevorzugt anzuwenden. Nur für die einzelnen Kriterien, für die nicht ausreichend GIS-Daten zur Verfügung stehen, kann auf die alternative Expertenbewertung zurückgegriffen werden.
Da viele potenzielle Belastungen der Komponente Wasserhaushalt nur dann sinnvoll zu erfassen und zu bewerten sind, sollte auch das gesamte, oberhalb liegende Einzugsgebiet betrachtet werden. Das Berechnungsverfahren ermöglicht es, die Hierarchie der Einzugsgebiete einzubeziehen. Bei der expertengestützten Vorgehensweise sollte zum einen bevorzugt von der Quelle zur Mündung gearbeitet werden, um die Verhältnisse in den Zuflussgebieten beurteilen zu können. Zum anderen sollten unterschiedliche Bewertungen von Zuflussgebieten und Eigeneinzugsgebiet des jeweiligen Wasserkörpers nach Möglichkeit gewichtet über die Abflussverhältnisse (-anteile), ersatzweise über die Flächengrößen, berücksichtigt werden.
Kriterium |
Beschreibung des Kriteriums |
Belastungsgruppe A: Veränderungen/Nutzungen im Einzugsgebiet |
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A1: |
Bewertung des flächengewichteten Mittelwerts der hydrologisch relevanten Landnutzungsklassen im Einzugsgebiet entsprechend des Natürlichkeitsgrades des Wasserhaushaltes |
A2: |
Bewertung des Flächenanteils der künstlichen Landentwässerung durch Dräne, Schöpfwerke, Siele, Gräben (Bodenentwässerung) am gesamten Einzugsgebiet |
Belastungsgruppe B: Wasserentnahmen |
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B1: |
Entnahmemenge aus Oberflächenwasserkörpern im Verhältnis zum mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ), bei Expertenbewertung sinnvoll: Prüfung im Hinblick auf ökologischen Mindestabfluss (Niedrigwasser, ökologische Durchgängigkeit, bettbildende Abflüsse) |
B3: |
Umfang der Wasserentnahme aus Grundwasserkörpern mit Einfluss auf den Wasserhaushalt an der Oberfläche |
Belastungsgruppe C: Wassereinleitungen |
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C1: |
Einleitmenge in Oberflächenwasserkörper im Verhältnis zum mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ) |
C2: |
Umfang der Wassereinleitungen in Grundwasserkörper mit Einfluss auf den Wasserhaushalt an der Oberfläche |
Belastungsgruppe D: Gewässerausbau und Bauwerke im Gewässer |
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D3: |
künstlicher Wasserrückhalt durch Stauanlagen im Verhältnis zum mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ) |
Belastungsgruppe E: Auenveränderungen |
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E1: |
Flächenverlust an natürlichem Auenraum: Verhältnis rezenter (derzeit funktionstüchtiger) zu morphologischer (ursprünglich funktionstüchtiger) Aue |
E3: |
Alternative Kenngrößen zur Beschreibung des Verlustes von wasserhaushaltsbezogenen Auenfunktionen (z. B. Auenretentionsverlust, Laufentwicklung/Laufverkürzung) |
Belastungsgruppe F: Sonstige Belastungen |
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Fx: |
Innerhalb der Belastungsgruppe „sonstige Belastungen“ sind abweichende und bisher nicht berücksichtigte Belastungen des Wasserhaushalts eines Wasserkörpers mittels eines oder mehrerer geeigneter, eigenständig festzulegender und zu dokumentierender Kriterien zusätzlich zu berücksichtigen. |
Für jedes Kriterium ist angegeben, welche Merkmale bzw. Ausprägungen erfasst werden, z. B. für das Kriterium „A1: hydrologisch relevante Landnutzung“ der Flächenanteil verschiedener Landnutzungsarten im Einzugsgebiet oder für das Kriterium „A2: Landentwässerung“ der Flächenanteil, der durch künstliche Landentwässerung beeinflusst ist.
Ist das Kriterium „A1: hydrologisch relevante Landnutzung“ mit dem Berechnungsverfahren ermittelt worden, z. B. anhand der Corine Landcoverdaten, so wird der Flächenanteil folgender Gruppen von Landnutzungsarten gewichtet berechnet:
- 323 (Sklerophytenvegetation), 324 (Wald-Strauch Übergangsstadien), 31x (Wälder), 33x (Offene Flächen ohne oder mit geringer Vegetation), 4xx (Feuchtflächen), 5xx (Wasserflächen)
- 321 (Natürliches Grünland), 322 (Heiden und Moorheiden)
- 14x (Künstlich angelegte nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche), 211 (Nicht bewässertes Ackerland),
- 22x (Dauerkulturen), 23x (Grünland), 24x (Heterogene landwirtschaftliche Flächen)
- 112 (nicht durchgängig städtische Prägung), 121 (Industrie- und Gewerbeflächen), 212 (Bewässertes Ackerland), 213 (Reisfelder), 3-fach gewichtet
- 111 (durchgängig städtische Prägung), 122 (Straßen, Eisenbahn); 123 (Hafengebiete), 124 (Flughäfen), 13x (Abbauflächen, Deponien, Baustellen), 3-fach gewichtet
Wird das Kriterium „A1: hydrologisch relevante Landnutzung“ mit dem Expertenverfahren ermittelt, so stehen folgende qualitative Beschreibungen als Auswahl zur Verfügung:
- keine oder nur sehr geringfügige Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; sehr hoher Anteil naturnaher Vegetationsbedeckung
- geringe Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; mittlerer bis hoher Anteil naturnaher Vegetationsbedeckung
- mäßige Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; vorwiegende landwirtschaftliche Nutzung, dabei relativ hoher Anteil extensiver und kulturlandschaftsorientierter Nutzungsformen
- hohe Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; vorwiegende intensive landwirtschaftliche / gartenbauliche Nutzung oder signifikante Beeinflussung durch versiegelte Flächen
- sehr hohe Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; dominanter Anteil der versiegelten Flächen
Klassifizierung
Jedes Kriterium ist, unabhängig ob es berechnet oder per Expertenwissen eingeschätzt worden ist, 5-stufig klassifiziert. Da für jedes Kriterium fünf berechnete Merkmale oder Beschreibungen unterschieden werden, entspricht jedes Merkmal bzw. jede Beschreibung einer Klasse. Exemplarisch für das Kriterium „A2: Landentwässerung“ ist dies in der Tabelle 2 dargestellt.
Berechnungsverfahren |
Klasse |
Expertenbewertung |
0 - < 5 % |
1 |
keine oder nur sehr geringfügige Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes |
5 % - < 10 % |
2 |
geringe Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes |
10 % - < 25 % |
3 |
mäßige Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes |
25% - < 50 % |
4 |
hohe Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; Gewässercharakter wird erheblich verändert |
50 % - 100 % |
5 |
sehr hohe Beeinträchtigung des Landschaftswasserhaushaltes; Gewässercharakter wird massiv verändert |
Innerhalb jeder Belastungsgruppe ist mindestens ein Kriteriumheranzuziehen und mit einer Bewertung zu versehen. Die Kriterien
- A1: hydrologisch relevante Landnutzung
- B1: Entnahme Oberflächenwasser
- C1: Einleitung in Oberflächenwasser
- D3: Retentionswirkung von Stauanlagen
- E2: Ausuferungsvermögen der Gewässer
sind in jedem Fall zu klassifizieren, ggf. über eine Expertenbewertung.
Nicht relevante Klassifizierungskriterien (z. B. Landentwässerung im Mittelgebirgsraum) können unbewertet bleiben (sofern mindestens ein Kriterium in der Belastungsgruppe verwendet wird).
Aggregation der Klassifizierung
Für die Auswertung kann ein Klassifizierungsbogen genutzt werden (Abb. 1) Dieser fasst alle Teilergebnisse der Klassifizierungskriterien zusammen und dokumentiert die Berechnung der Gesamtklassifizierung.
Abb. 1: Bewertungsbogen. |
Die Klassifizierung erfolgt einzeln für jeden Wasserkörper anhand der 5-stufigen Skala gemäß WRRL (Tab. 3). Dafür werden die Teilbewertungen einer Belastungsgruppe nach dem „worst-case-Prinzip“ zusammengeführt, d. h. nur die schlechteste Bewertung eines Kriteriums je Belastungsgruppe fließt in die Bewertung ein.
Klasse |
Grad der Veränderung |
farbige Kartendarstellung |
1 |
unverändert bis sehr gering verändert |
dunkelblau |
2 |
gering verändert |
grün |
3 |
mäßig verändert |
gelb |
4 |
stark verändert |
orange |
5 |
sehr stark bis vollständig verändert |
rot |
Bei der Gesamtklassifizierung werden die für jede Belastungsgruppe vorliegenden Teilbewertungen durch quadratische Mittelwertbildung zu einer Gesamtklassifizierung zusammengeführt. Je nachdem, ob auch „sonstige Belastungen“ relevant sind, ist die Mittelwertbildung über 5 oder über 6 Teilbewertungen durchzuführen.