Bewertung ökologischer Zustand

Bei dem Bewertungsverfahren PHYLIB für Makrophyten und Phytobenthos in Seen handelt es sich um ein modular aufgebautes Verfahren. Die beiden Teilkomponenten Makrophyten und benthische Diatomeen werden zunächst einzeln bewertet und schließlich zu einer Gesamtbewertung verrechnet.

Für die Teilkomponente benthische Diatomeen werden die beiden Bewertungsmodule Trophie-Index und Referenzartenquotient berechnet, die anschließend zum Diatomeen-Index Seen verrechnet werden.

Bewertungsmodul Trophie-Index

Die Trophie hat eine entscheidende Bedeutung für das Vorkommen und die Häufigkeit von benthischen Diatomeen in Seelitoralen. Dabei weisen die Seen des süddeutschen Raums und des silikatischen Mittelgebirges im Referenzzustand eine niedrigere Trophie auf als die Seen des Norddeutschen Tieflands. Um die weite Trophie-Spanne abzudecken, stehen zwei Trophie-Indizes zur Verfügung: der Trophie-Index Süd, der von Hofmann (1994, 1999) an natürlichen Seen der Alpen, des Alpenvorlandes und des silikatischen Mittelgebirges entwickelt wurde, sowie der Trophie-Index Nord (Schönfelder et al., unveröffentlicht), der an die Trophie-Verhältnisse der Seen des Norddeutschen Tieflands angepasst ist.

Der Trophie-Index Süd wird für die Gewässer der Diatomeentypen DS 1.1, DS 1.2, DS 8, DS 9 und DS-s verwendet:

TISüd = Trophie-Index Süd
TSi = Trophiewert Süd der Art i
Gi = Gewichtung Süd der Art i
Hi = prozentuale Häufigkeit der Art i (= Messwert)
n = Anzahl eingestufte Taxa (mit Trophiewert)

Für eine gesicherte Bewertung mit dem Trophie-Index Süd müssen mindestens zehn indikative Arten in der Probe vorhanden sein.


Für alle übrigen Diatomeentypen wird der Trophie-Index Nord berechnet:

TINord = Trophie-Index Nord
TNi = Trophiewert Nord der Art i
Hi = prozentuale Häufigkeit der Art i (= Messwert)
n = Anzahl eingestufte Taxa (mit Trophiewert)


Für eine gesicherte Bewertung mit dem Trophie-Index Nord muss die Summe der relativen Häufigkeiten der indikativen Taxa mindestens 60% erreichen.

Bewertungsmodul Referenzartenquotient

Der Referenzartenquotient basiert auf der Erfassung des Unterschiedes zwischen der vorgefundenen Biozönose mit dem Arteninventar im Referenzzustand. Anhand ihres typspezifischen Vorkommens bei unterschiedlichen ökologischen Zuständen werden zwei Artengruppen unterschieden:

Artengruppe A enthält Arten, die an Referenzstellen dominieren und somit als typspezifisch bezeichnet werden können. Mit fortschreitender Gewässerbelastung nimmt der Anteil dieser Arten ab = typspezifische Referenzarten

Artengruppe C enthält Störzeiger, die einen deutlichen Verbreitungsschwerpunkt an degradierten Standorten zeigen und höchstens in geringen Mengen an den Referen­zstellen auftreten = typspezifische Degradationszeiger

Berechnung des Referenzartenquotienten:

RAQ = Referenzartenquotient
nA = Anzahl Arten der Artengruppe A
nC = Anzahl Arten der Artengruppe C


Für eine gesicherte Bewertung mit dem Referenzartenquotient muss, abhängig vom Diatomeentyp, nach der Diatomeenzählung und dem anschließendem Durchmustern der Probe eine Mindestanzahl von indikativen Arten vorhanden sein (Tab. 1).

Tab. 1: Mindestanzahl indikativer Taxa.

Diatomeentyp Seen

Mindestanzahl an indikativen Taxa

DS 1.1, DS 1.2, DS 5, DS 7, DS 8, DS 9, DS 10.1, DS 10.2, DS 13.1, DS 13.1Nordwest, DS 13.2, DS-s

12

DS 5.1, DS 5.2, DS 6, DS 6.1, DS 6.2, DS 7.1, DS 11, DS 12, DS 14

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Skalierung der Bewertungsmodule

Für die Bewertung mit der Teilkomponente benthische Diatomeen, müssen die einzelnen Bewertungsmodule zuerst auf eine Wertespanne von 0 bis 1 skaliert werden, bevor sie zum Diatomeen-Index Seen verrechnet werden können.

Umrechnung des Trophie-Index Süd:

MTISüd = Modul Trophie-Index Süd
TISüd = berechneter Trophie-Index Süd


Umrechnung des Trophie-Index Nord
:

MTINord = Modul Trophie-Index Nord
TINord = berechneter Trophie-Index Nord
TIK = Trophie-Index Klassengrenze


Für die Umrechnung des Trophie-Index Nord muss typspezifisch derjenige Wert des TINord berücksichtigt werden, welcher der Klassengrenze zwischen sehr guter und guter ökologischer Qualität entspricht (Tab. 2).

Tab. 2: Klassengrenze sehr gut und gut des TIK für die verschiednen Diatomeentypen.

Diatomeentyp Klassengrenze sehr gut/gut (TIK)

DS 5, DS 5.1, DS 7.1, DS 10.1, DS 13.2, DS 14

2,24

DS 5.2 , DS 10.2

2,74

DS 6, DS 6.1, DS 11

2,49

DS 6.2, DS 12

2,99

DS 7

1,74

DS 13.1, DS 13.1Nordwest

1,99

Es gelten folgende Zusatzbedingungen:

  • Wenn MTINord <0, dann MTINord = 0
  • Wenn MTINord >1, dann MTINord = 1

Umrechnung des Referenzartenquotienten:

MRAQ = Modul Referenzartenquotient
RAQ = berechneter Referenzartenquotient

Berechnung des Diatomeen-Index Seen

Der Diatomeen-Index Seen wird aus den umgerechneten Werten der Bewertungsmodule Trophie-Index und Referenzartenquotient durch Bildung des arithmetischen Mittelwerts ermittelt. Für die Gewässer der Diatomeentypen DS 1.1, DS 1.2, DS 8, DS 9 und DS-s wird dabei das Modul Trophie-Index Süd (MTISÜD), für alle übrigen Gewässer das Modul Trophie-Index Nord (MTINORD) berücksichtigt:

DISeen = Diatomeen-Index Seen
MIT = Modul Trophie-Index (MTINord oder MTISüd)
MRAQ = Modul Referenzartenquotient


Der Wert „1“ entspricht dabei dem bestmöglichen ökologischen Zustand/höchstem ökologischem Potenzial im Sinne der WRRL. Der Wert „0“ dagegen zeigt die stärkste Degradation des Gewässers an, also Zustands-/Potenzialklasse 5.

Für eine gesicherte Bewertung müssen die Ergebnisse der beiden Bewertungsmodule Trophie-Index und Referenzartenquotient gesichert sein. Liefert ein Teilmodul ungesicherte Ergebnisse, gilt auch der Diatomeen-Index Seen als ungesichert.

Zusatzkriterium Säuregrad

Das Zusatzkriterium Säuregrad wird von der PHYLIB-Software für jede Probe berechnet, um saure oder versauerte Gewässer zu ermitteln. Dazu werden jeweils die prozentualen Häufigkeiten der wichtigsten Säurezeiger aufsummiert. Ob eine Art als Säurezeiger eingestuft ist, kann den Indikationslisten der PHYLIB-Software entnommen werden.

Tab. 3: Abwertung des Diatomeenindex durch das Vorkommen von Säurezeigern.

Summenhäufigkeit Säurezeiger in %

Säuregrad

Abwertung des DISeen

10 bis 25

schwach sauer

um 0,25

26 bis 50

mäßig sauer

um 0,5

51 bis 99

stark sauer

um 0,75

100

sehr stark sauer

um 1

Erreicht die Summenhäufigkeit der Säurezeiger 10% oder mehr, wird die Probe mit dem Ökoregion unabhängigen Diatomeentyp DS-s gerechnet. Zudem erfolgt wie mit zunehmender Summenhäufigkeit eine schrittweise Abwertung des für die Probe berechneten Diatomeen-Index Seen (Tab. 3). Für die Gesamtbewertung von Seen und für die Verrechnung der Teilkomponente benthische Diatomeen mit der Makrophytenbewertung wird der abgewertete DISEEN verwendet.

Kriterien für eine gesicherte Bewertung

Um unzuverlässige Befunde von der Bewertung auszuschließen, werden von der Bewertungssoftware PHYLIB für jede Probe mehrere Sicherungskriterien berechnet. Greifen die Kriterien, gilt die Teilkomponente benthische Diatomeen als nicht gesichert und der Diatomeen-Index Seen kann nicht zur weiteren Berechnung herangezogen werden bzw. es werden keine Ergebnisse für die Diatomeen ausgegeben.

Sicherungskriterium Bestimmungstiefe: Wenn viele Taxa nicht die erforderliche Bestimmungstiefe aufweisen und daher nicht in die Bewertung eingehen, liefert der Befund möglicherweise verfälschte Bewertungsergebnisse. Überschreitet der Anteil unzureichend bestimmter, nicht bestimmbarer (sp, spp) und/oder nicht eindeutig bestimmbarer Formen (cf, aff) in einer Probe den Wert von 5 %, gelten die Bewertungsergebnisse daher als nicht gesichert.

Sicherungskriterium Gesamthäufigkeit: Befunde, die eine Abundanzsumme von < 98 % oder > 102 % aufweisen, werden von der Berechnung ausgeschlossen. So können Datenübertragungs- oder Eingabefehler erkannt werden und es wird sichergestellt, dass es sich um vollständige Proben handelt.

Sicherungskriterium Anteil planktischer Diatomeen: Ausschließlich planktisch lebende Diatomeen sollen bei der Zählung nicht mit erfasst werden. Daher werden bei Proben, deren Anteil an planktischen Diatomeen den Wert von 5% übersteigt, die Bewertungsergebnisse als nicht gesichert gekennzeichnet.

Sicherungskriterium aerophile Taxa: Übersteigt der Anteil aerophiler Taxa in einer Probe den Wert von 5%, gilt das Bewertungsergebnis als nicht gesichert. Es muss von einem starken aerischen Einfluss an der Probestelle ausgegangen werden, der die Bewertung überlagert bzw. stark beeinflusst. Dies ist z.B. bei der Beprobung erst kürzlich überfluteter Bereiche der Fall.

Ermittlung der ökologischen Zustandsklasse einer Messstelle

Die WRRL sieht die gesamte Organismengruppe Makrophyten / Phytobenthos als eine der vier biologischen Komponenten zur Bewertung des Gewässerzustandes. Liefern die beiden Teilkomponenten Makrophyten und benthische Diatomeen gesicherte Bewertungsergebnisse, werden diese zum Makrophyten-Phytobenthos-Index verrechnet.

Ist nur die Teilkomponente benthische Diatomeen gesichert bewertbar, so kann die ökologischen Zustands-/Potenzialklasse einer Messstelle allerdings auch allein aus diesem Wert ermittelt werden. Der Makrophyten-Phytobenthos-Index entspricht dann dem Diatomeen-Index Seen.

Die Zuordnung des Makrophyten-Phytobenthos-Index zu den ökologischen Zustandsklassen erfolgt gewässertypspezifisch anhand der in der „Verfahrensanleitung für die ökologische Bewertung von Seen zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie: Makrophyten und Phytobenthos (PHYLIB)“ sowie der PHYLIB-Software angegebenen Tabellen.

Tab. 4: Klassengrenzen natürlicher Gewässer der Alpen und des Alpenvorlandes wenn nur die Teilkomponente benthische Diatomeen gesichert bewertbar ist.

Der ökologische Zustand wird in fünf Klassen angegeben, wobei die ökologische Zustandsklasse 1 dem sehr guten ökologischen Zustand/Referenzzustand im Sinne der WRRL entspricht. Die ökologische Zustandsklasse 5 bedeutet eine schlechte ökologische Qualität und zeigt eine starke Degradation des Gewässers an (Tab. 4).

Tab. 5: Klassengrenzen künstlicher und erheblich veränderter Gewässer der Alpen und des Alpenvorlandes wenn nur die Teilkomponente benthische Diatomeen gesichert bewertbar ist.

Das ökologische Potenzial nach WRRL wird in vier Klassen angegeben, wobei die erste Klasse (grün unterlegt) die Stufe „gut und besser“ bedeutet. In den Tabellen wird diese erste Klasse mit einer Grenze zwischen 1 und 2 angegeben (Tab. 5). Diese Unterteilung ist rein informativ, deshalb sind die mit den Zahlen 1 und 2 bezeichneten Zeilen beide mit der von der WRRL für diese Stufe vorgegebenen Farbe Grün markiert.

Gesamtbewertung des Wasserkörpers

Zur Bewertung des gesamten Wasserkörpers werden die ökologischen Zustandsklassen sämtlicher Stellen eines Oberflächenwasserkörpers arithmetisch gemittelt. Dabei dürfen nur gesicherte Ergebnisse berücksichtigt werden. Die Bewertung eines Wasserkörpers gilt als gesichert, wenn mindestens 50% aller Transekte eine gesicherte Bewertung aufweisen.


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