Bewertung ökologischer Zustand

Zunächst wird festgestellt, ob es sich bei dem zu bewertenden See um einen natürlichen oder künstlichen See handelt. Bei natürlichen Seen findet eine separate Bewertung für drei Seetypgruppen statt: Flussseen des Tieflandes (Seetyp 12), Seen des Tieflandes (Seetypen 10, 11, 13 und 14) und Voralpen-/Alpenseen (Seetypen 1 - 4). Bezüglich der künstlichen Seen werden drei Seetypgruppen unterschieden: “Künstliche Seen und Mittelgebirgsseen mit Probenahme nach AESHNA”, “Künstliche Seen und Mittelgebirgsseen mit Probenahme nach Böhmer (2008)” und “Rheinangebundene Baggerseen”. Zurzeit bestehen die drei künstlichen Seetypgruppen aus vier künstlichen Seetypen: “Baggerseen ohne Fließgewässeranbindung der Rheinschiene”, “Baggerseen mit Anbindung an den Rhein”, “Baggerseen Ostdeutsch­land” und “Tagebauseen”.

Zudem ist der eulitorale Ufertyp für die Bewertung des eulitoralen Makrozoobenthos nach AESHNA zwingend notwendig. Dieser gilt für mindestens den gesamten Probenahmebereich und soll die Situation ohne menschliche Einflüsse widerspiegeln. Er kann vor Ort beispiels­weise auf Basis der während der Probenahme im Feldprotokoll erfassten prozentualen Habitatanteile voreingeschätzt werden. Wegen möglicher Habitatveränderungen durch eventuelle Belastungseinflüsse ist die Vor-Ort-Einschätzung aber mit Unsicherheiten behaftet. Der Ufertyp sollte daher am besten gemäß der Vorschrift von Hess & Heckes (2015) mittels Kartenmaterialien mit größerer Sicherheit bestimmt werden und liegt dann für spätere Probenahmen fest vor. Der Ufertyp der LAWA-Hydromorphologieklassifizierung (Mehl el al. 2015) ist eigentlich ein Uferumfeldtyp und kann daher nur wenig zur Klassifizierung des eulitoralen Ufertyps beitragen. Folgende eulitorale Ufertypen werden unterschieden:

Tab. 1: Ufertypen für die Bewertung mit AESHNA.

Charakteristik

Kurzbezeichnung

Bezeichnung nach
Hess & Heckes (2015)

Dynamisches Brandungsufer; Geröll / Schutt / Kiese, dominieren in der Regel

Grobsediment

Geröll-/kiesreiche Brandung

Wenig Dynamik; Sande dominieren zumeist; manchmal auch Kiese, manchmal verschilft, dann aber ohne organische Auflage

Feinsediment

Seekreide-/Sandufer

Schluff-Schlammufer mit zumindest schütterer Schilf und Schwimmblattvege­tation; keine oder allenfalls begrenzte Dynamik

Organisch

Verlandungsufer


Zur Voreinschätzung des eulitoralen Ufertyps können die vorhandenen Habitate bzw. Habitatangaben des Feldprotokolls nach folgendem Schema ausgewertet werden:

1. Gibt es Hinweise auf anthrogogene Veränderungen (z. B. Schilfverlust an Badestellen, evtl. mit Sand- oder Kiesaufschüttungen)?

  • Ja: Einschätzung nach benachbarten Seebereichen
  • Nein: weiter mit Punkt 2

2. Habitat “Emerse Makrophyten” mit mindestens 30 % Anteil und mit organischer Auflage oder die Habitattypen “Emerse Makrophyten” + “Sediment (Anteil FPOM > 90 %)” + “(Submerse) Wurzeln” + “Totholz” (nach %-Angaben des Feldprotokolls) dominieren in Summe

  • Ja: Ufertyp organisch / Röhricht
  • Nein: weiter mit Punkt 3

3. Dominierender Habitattyp (nach %-Angaben des Feldprotokolls)

  • “Steine” ( Korngröße > 20 mm ): Ufertyp Grobsediment
  • “Sediment (Sand)” ( Korngröße < 20 mm ): Ufertyp Feinsediment
  • Übrige Fälle (Summe “Sediment (Sand)” + “Emerse Makrophyten” + “Sediment (Anteil FPOM > 90 %)” + “(Submerse) Wurzeln” + “Totholz” dominiert): Ufertyp Feinsediment

Die Berechnung der stellenspezifischen Bewertung erfolgt auf der Basis eines multi­metrischen Indexes (MMI) und einer daraus resultierenden Zustandsklasse. Hierfür sind mehrere Berechnungsschritte notwendig. Zunächst werden Metrics berechnet und mithilfe von Ankerpunkten (Referenz- und Belastetwerte) normiert. Die Normierung erfolgt nach der folgenden Formel:

Metricwerte höher als 1 werden gleich 1 gesetzt und Metricwerte kleiner als 0 werden gleich 0 gesetzt. Die normierten Metrics werden für jede Probestelle zu einem multimetrischen Index (MMI) gemittelt und bestimmte Metrics ggf. gewichtet.

Die Zusammensetzung des multimetrischen Indexes unterscheidet sich gemäß den Seetyp­gruppen:

  • Alpen-/Alpenvorlandseen: MMI = (5*Faunaindex + EPTCBO HK% + typspezifische Vielfalt + Sedimentfresser HK + Holzbewohner + Fortpflanzungsstrategie rk)/10
  • Seen des Tieflandes: MMI = (4*Faunaindex + Lithal HK% + EPTCBO HK% + Typ­spezifische Vielfalt + Holzbewohner)/8
  • Flussseen des Tieflandes: MMI = (3*Faunaindex + Chironomidae HK% + Typ­spezifische Vielfalt + Holzbewohner HK%)/6
  • Tagebauseen, Baggerseen Ostdeutschland, Baggerseen ohne Fließgewässeran­bindung der Rheinschiene: MMI = (2*Faunaindex + Lithal HK% + Sedimentfresser HK% + ASPT + Anzahl EPTCBO-Taxa + Odonata HK% + ETO HK% + Chironominae Ind.% )/9
  • Baggerseen mit Anbindung an den Rhein: MMI = (2*Faunaindex + Räuber HK% + Xenoligosaprobe HK% + Anzahl EPTCBO-Taxa + Gastropoda Ind.% + Insecta HK%)/7

Für den MMI nach AESHNA gelten folgende Grenzen für die ökologischen Zustandsklassen: „sehr gut“ ≥ 0,8 ≥ „gut“ ≥ 0,6 ≥ „mäßig“ ≥ 0,4 ≥ „unbefriedigend“ ≥ 0,2 „schlecht“.


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